2017 oder das Ende des Westens
2017 könnte das Ende des Westens bedeuten. Es ist gut möglich, dass wir im Dezember 2017 zwei Westen haben, geführt von Angela Merkel respektive Donald Trump.
Geopolitik und Wirtschaftspolitik
Wirtschaft und Geopolitik sind heute stark verwoben. Die Wirtschaft ist gerade in der Europäischen Union mittlerweile enorm politisiert. Insbesondere Deutschland nutzt seine wirtschaftliche Macht und seine finanzielle Stärke, um Europa politisch zu dominieren.
Informelle Macht-Strukturen in der EU
Der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs war ein wichtiges Entscheidungsgremium, ebenso die verschiedenen Ministerräte. Wir erleben aber immer öfter, dass die Berliner Regierung versucht, Entscheidungen vor den Ratssitzungen in kleinem Kreis festzuschreiben. Alle, die diesmal nicht eingeladen wurden, dürfen dann nur noch brav nicken.
Das Dublin-Abkommen wurde in einer Nacht von der deutschen Kanzlerin und dem damaligen österreichischen Kanzler in den Mülleimer befördert.
Das Schengen-Abkommen wurde in der Folge durch einseitige Erklärungen der Berliner und der Wiener Regierungen, dass man auf Dauer wieder Grenzkontrollen durchführen werde, zertrümmert. (Im 20. Jahrhundert hat sich die Praxis durchgesetzt, dass man Kriege nicht mehr erklärt, sondern führt. Im 21. Jahrhundert wird diese Praxis insofern ausgeweitet, dass man Verträge nicht mehr kündigt, sondern schlicht zertrampelt.)
Auf diese Weise haben Merkel und ihre Kollegen die Institutionen der EU ihrer Substanz beraubt und zur Fassade degradiert. Eine faire Ausbalancierung der Macht und demokratischen Kontrolle in Europa werden nur noch vorspiegelt.
Das „Genug“ der Briten
Nun hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreiches entschieden, die EU zu verlassen. Die Menschen dort wollen sich politisch und ökonomisch nicht mehr unter Druck setzen lassen, und sie wollen das eigene Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Die Berliner Antwort: Man weigert sich, mit der Britischen Regierung überhaupt noch zu reden. Und, als ob das nicht genug wäre: man versucht auch noch, 26 weiteren in der EU verbleibenden Regierungen das Gespräch mit der britischen Regierung zu verbieten.
Es gib nur eine einzige Parole, die alle 27 vor sich her stottern: „Den Menschen in England muss es nach Verlassen der EU schlechter gehen, als es ihnen innerhalb der EU gegangen wäre!“ Keiner sieht, dass dieses Verhalten in sich selbst schon ein Grund ist, die EU so schnell wie möglich zu verlassen.
Donald Trump
In der Zwischenzeit haben die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Gott und die Welt haben ihr Entsetzen über die Wahl von Donald Trump geäußert. Unser künftiger Präsident Steinmeier hatte einen solchen Wahlausgang für völlig unmöglich gehalten. Er er glaubte, ohne negative Folgen den Kandidaten Trump als Hassprediger beschimpfen zu können und sollen.
In Wirklichkeit wird sich durch die Wahl von Trump die Außenpolitik der USA in der Substanz nur graduell ändern. Trump wird den geordneten Rückzug Obamas aus dem Mittleren Osten und aus Europa (zum Leidwesen John McCains) fortsetzen.
Es werden sich Nuancen ändern. Trump wird sich Israel gegenüber nicht so feindselig verhalten wie Obama. Er wird voraussichtlich auch überdenken, ob die USA wirklich den PKK-Ableger YPG mit Waffen und Ausbildern unterstützen sollten. Trump wird auch erwägen, Syrien im Einvernehmen mit dem NATO-Partner Türkei und mit Putin zu stabilisieren.
In der Auseinandersetzung um die Ukraine und die russische Bedrohung Osteuropas war Obama eher ein Getriebener, und bei Trump wird das nicht viel anders sein.
Innenpolitisch wird sich in USA manches ändern, aber das soll hier nicht meine Sorge sein. Allerdings werde ich ein Auge die Diskussion um die Neugestaltung der Unternehmensbesteuerung haben, denn diese kann das komplette System des Welthandels und das weltweite Finanzsystem stark beeinflussen.
Nato und EU
Eine konstruktive Reaktion auf das Brexit-Votum wäre gewesen, die Nato als Plattform für eine gemeinsame Sicherheitspolitk des Westens zu stärken.
Wir haben jedoch das Gegenteil erlebt: Ein verhaltener Jubel aus Berlin: Endlich können die Briten ein militärisches Kommandozentrum auf EU-Ebene nicht mehr blockieren.
Dies zeigt, dass es mit einer Westorientierung in Berlin nicht mehr weit her ist.
Wahl in Frankreich
Es wird nach dem Abgang Hollandes mit Sicherheit eine neue Ausbalancierung der französischen Außenpolitik geben, unabhängig von der Entscheidung, wer Hollande nachfolgen wird.
Frankreich wird nicht mehr bedingungslos dem Kurs Merkels gegenüber Russland folgen. Und Frankreich wird sich – wenn Merkel ihre Position zu Theresa May nicht ändert – in der Sicherheitspolitik zwischen einer Kooperation mit Berlin und einer Kooperation mit London und Washington entscheiden müssen.
Wenn Fillon oder Macron Präsident werden würde, könnte dieser Anpassungsprozess in die Länge gezogen werden, so dass der Wahlkampf in Deutschland nicht gestört wird.
Aber ein Sieg von Marine Le Pen würde Merkel unter Zugzwang setzen. Ihr Versuch, die Probleme Europas auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben, wäre gescheitert. Sie müsste schnell Farbe bekennen, ob Sie
- mit Le Pen zusammenarbeiten wollte,
- oder ein Redeverbot wie mit Theresa May durchsetzen wollte
- oder gleich den Ausschluss Frankreichs aus der EU betreiben wollte
Wahl in Deutschland
Es ist nicht so klar wie manche denken, dass Merkel eine vierte Amtszeit als Kanzlerin gewinnen wird. Eine rechtspopulistische Regierung werden wir hier nicht erleben, aber eine linkspopulistische ist durchaus im Bereich des Möglichen.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel könnte sich an das Erfolgsrezept Schröders aus dem Jahr 2002 erinnern: Merkel in der Außenpolitik rechts überholen und einen „deutschen Weg“ ausrufen.
Mit einem US-Präsidenten Trump wird Antiamerikanismus in Deutschland zum guten Ton gehören. Selbst Merkel wird sich dazu bekennen.
Aber es wird Merkel auch nichts anderes übrig bleiben, als die Verlegung von US-Truppen nach Polen zu akzeptieren und den Bau des Raketenschutzschildes in Osteuropa zumindest zu tolerieren. Gabriel wird ihr deshalb vorgespielten Antiamerikanismus vorwerfen.
Insbesondere die Linkspartei wird versuchen, Stimmen bei der AFD einzusammeln. Hier können Lafontaine und Wagenknecht die starke Ablehnung gegen Merkel unter den AFD-Wählern nutzen und argumentieren: „Eine Stimme für die AFD ist eine Stimme für den Verbleib Merkels im Kanzleramt.“ Also: Wer „Merkel muss weg“ ruft, muss links wählen.
Das Ende des Westens
Nachdem mit der Wahl Trumps als Präsident der USA Antiamerikanismus in Deutschland zum Teil der Staatsräson zu werden scheint, wird es in Zukunft zwei verschiedene „Westen“ geben: Einer unter der Flagge der EU, personifiziert durch Merkel. Dieser Merkelsche Westen wird je nach Ausgang der Wahlen in Frankreich entweder am Rhein, oder an der Westküste des europäischen Kontinents enden. Und es wird einen anglo-amerikanischen Westen geben, der sich um die USA und Großbritannien schart.
Aber zwei Westen ist dasselbe wie kein Westen. Die globalen Institutionen der Nachkriegsordnung (UN, EU, NATO, IWF) wurden bereits ausgehöhlt und geschwächt. Die Institutionen der EU werden obendrein mittels eines informelles Netzwerks gelenkt. (Wenn die EU-Kommission wichtige Entscheidungen trifft, ohne vorher in Berlin anzurufen, ist das Kanzleramt beleidigt.)
Und wenn Gabriel gewinnt?
Wenn Sigmar Gabriel die Möglichkeit sieht, wird er versuchen selbst Kanzler in Berlin zu werden. Das kann ihm gelingen, wenn er einen Tsumani des Antiamerikanismus reitet. Das Ende des Westens ist dann definitiv gekommen.
Man könnte nun meinen, mit Gabriel könnte es – analog zum Merkel-Westen -einen EU-bestimmten Westen geben.
Aber Gabriel hat nicht die Statur, die notwendig ist um Griechenland und Finnland sowie gleichzeitig Portugal und Ungarn unter einen Hut zu bringen.
Nach seinem Wahlsieg würde es also nur den einen Westen geben, den atlantischen Westen. Die EU unter Gabriel wäre nicht mehr Teil des Westens.