Explodierende Preise für Energie und Nahrungsmittel, sowie eine Flut von hochriskanten Schuldtiteln, die in den Bilanzen von Banken und Versicherungen als sicher bewertet wurden. So war die Lage im Frühjahr 2008, und so ist sie auch heute. Die Schuldtitel waren damals mit überteuert gekauften Immobilien gesichert. Es stellte sich aber heraus, daß viele Besitzer dieser Immobilien im Lichte der gestiegenen Kosten ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten oder wollten.
Heute sind Staatsschulden das Problem. Trotz aller Rettungsversuche zeichnet sich eine Welle von „Umstrukturierungen“ bei Staatsschulden ab. Manche Staaten werden schlicht nicht alle Schulden bedienen können. In anderen Ländern wird es nicht möglich sein, die erforderlichen Sparmaßnahmen auf demokratischem Wege durchzusetzen.
Spekulanten sollen an allem schuld sein
Die alleinige Schuld an den Problemen wurde 2008 von vielen Politikern dem Finanzsektor zugewiesen, insbesondere bösen Spekulanten und gierigen Bankern. Als Gegenmittel wurde angepriesen, daß die Regierungen mehr Macht über Banken erhalten sollten. So sollten Spekulanten „an die Kandare“ genommen werden. Die Ergebnisse sind bekannt: Bilanzen bis unters Dach gefüllt mit Papieren zahlungsunfähiger Staaten. Diese Papiere werden immer noch zum Nennwert bilanziert. Und anschließend immer neue Milliarden an Garantienversprechen auf Kosten der Steuerzahler, weil so der Tag der Wahrheit noch etwas in die Ferne geschoben werden kann.
Fundamentale Ursachen der steigenden Rohstoffpreise
Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Situation einmal von einer anderen Seite her zu sehen. Wie wäre es, wenn die Explosion der Preise für Energie und Nahrungsmittel, die das Budget der Hauseigentümer sowie Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen gefährden, nicht etwa das finstere Werk bösartiger Spekulanten wäre, sondern einfach nur die Folge einer positiven Entwicklung, die mehreren hundert Millionen Menschen außerhalb der Länder, die sich für „entwickelt“ halten, nun Zugang zu hochwertiger Nahrung, Elektrizität und Mobilität ermöglicht.
Der Bedarf an Erdöl, Getreide, Tierfutter und Bio-Ethanol steigt dadurch natürlich. Da die Produktion von zusätzlicher Energie sowie von mehr und besseren Nahrungsmitteln große Investitionen erfordert, und zumindest bei Erdöl die Kosten der zusätzlich entwickelten Kapazitäten sehr hoch sind, steigen auch die Marktpreise für Benzin, Brot, Zucker, Reis, Soja, Milchprodukte und Fleisch.
Es drängt sich daher die Frage auf, warum mit all dem frischgedruckten Geld der Jahre 2008 bis 2011 nur ausgewählte Bankbilanzen und Staatshaushalte mit einem neuen Anstrich zu versehen wurden, und damit nicht etwa Staudämme, Bewässerungsanlagen und ähnliche Infrastrukturprojekte gebaut wurden, die zusätzliche Produktion von Energie und Nahrungsmitten ermöglichen könnten. Böse Zungen behaupten, dies sei deshalb nicht geschehen, weil dann die Gelder nicht in Europa geblieben wären.
2008 und 2011
Es ist jedoch seit 2008 nicht alles beim alten geblieben. Die Mächtigen aller Länder sind sich der Brisanz des Problems heute sehr viel bewusster als dies noch vor drei Jahren der Fall war. Das zeigt sich daran, daß heute niemand mehr auf die Idee kommt, die Krise künstlich zuzuspitzen. 2008 geschah das noch durch den Georgien-Krieg, der die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Blockade der Öl- und Gasexporte aus dem kaspischen Raum in sich trug. Dennoch sind die Rohstoffmärkte heute angespannter als vor drei Jahren.
Auch die politischen Folgen der explodierenden Nahrungsmittelpreise sind heute weitreichender als die Hungeraufstände 2008. Es zeichnet sich ein Zusammenbruch der staatlichen Strukturen ab, die nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches von den europäischen Mächten in der arabischen Welt installiert worden waren. Und auch in einigen europäischen Ländern beobachten wir gewaltsame Unruhen.
Nahrungsmittel-Energie Preisspirale
Der wiederholte parallele Anstieg der Weltmarktpreise für Energie und Nahrungsmittel ist nicht zufällig. Vielmehr ergibt sich folgendes Bild: Nahrungsmittel steigen, weil der Wohlstand weltweit breiter verteilt wird. Mehr Menschen gute Ernährung und insbesondere auch mehr Fleischmahlzeiten erlauben können. Gleichzeitig steigt auch der Energieverbrauch für Autos, Klimaanlagen, Internet und Waschmaschinen. Das treibt die Energie-Preise. Verschärft wird die Verknappung von Energie in 2011 durch die Tatsachen, dass nach dem Tsunami in Japan sowohl in Deutschland als auch in Japan viele nuklearen Kraftwerke keinen Strom mehr produzieren, und in vielen anderen Ländern ein bisher geplanter Ausbau der Stromerzeugung durch Kernenergie fraglich geworden ist.
Wichtiger ist jedoch die Rückkopplungen zwischen den Preisen für Energie und Nahrungsmittel:
- Sobald die Preise für Energie eine gewisse Schwelle erreichen, lohnt sich die Energieerzeugung aus Agrarprodukten. Da aber eine Ausdehnung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen teuer ist und auch viel Zeit in Anspruch nimmt, reduziert sich das Angebot an Nahrungsmitteln bei steigenden Energiepreisen. Dieser Effekt wird nachhaltig, weil die Investitionen in zusätzliche landwirtschaftliche Kapazitäten plötzlich unrentabel werden, wenn insbesondere die EU-Länder, also zum Beispiel Deutschland, in unregelmäßigen Abständen Produkte aus subventionierter landwirtschaftlicher Überproduktion zu Dumpingpreisen über den Weltmarkt ausschütten und damit jederzeit die Rentabilität teurer zusätzlicher landwirtschaftlicher Flächen bedrohen.
- Da viele, und vor allem auch einflussreiche Länder, die Erdöl produzieren, in großem Umfang auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen sind, ist der Anreiz für diese Länder groß, die Ölförderung zu reduzieren, um mit dem durch höhere Preise eingenommenen Geld die Verbraucherpreise für Energie und Nahrungsmittel in ihrem Land zu subventionieren und so ihr politisches Überleben zu sichern.
- Die daraus resultierenden erneut steigenden Energiepreise verstärken wiederum den Anreiz, Agrarflächen aus der Nahrungsmittel-Produktion abzuziehen und zur Energie-Erzeugung zu verwenden.
Schlussfolgerung
Um die Preisspirale zwischen Energie und Nahrungsmitteln zu durchbrechen, und um den Anspruch möglichst vieler Menschen auf hochwertige Ernährung zu befriedigen, sind weltweit massive Investitionen notwendig. Natürlich werden diese Investitionen dort geschehen, wo die Voraussetzungen für Landwirtschaft optimal sind, also nicht unbedingt in Zentraleuropa. Das wird zu einer weiteren Verschiebung von Macht und relativem Reichtum weg von Europa führen. Dies ist jedoch unausweichlich.