Die Neue Deutsche Außenpolitik

Eine der ersten Aktionen der Regierung Merkel III war die Ankündigung einer neuen deutschen Außenpolitik durch eine Dame und zwei Herren in München. Dieser Artikel analysiert Methoden, Ziele und Möglichkeiten dieser „Neuen Deutschen Außenpolitik“ am Beispiel der Krise in Osteuropa.

Krisen als Methode

Merkel inszeniert und nutzt üblicherweise die großen Krisen des Tages, um ihre Ziele zu verbergen und gleichzeitig voranzutreiben. Dies zieht sich durch ihre komplette politische Karriere, angefangen von der Demontage Helmut Kohls bis hin zur Etabliering ihrer Hegemonie in der Eurozone im Zuge der internationalen Finanzkrise.

Die aktuellen Krisen sind mit den Namen NSA/Snowden und Ukraine verbunden. Bei beiden spielt das Duo Merkel/Putin eine Schlüsselrolle. Die zugrundeliegenden Ziele Merkels könnten sein:

  1. Zerstörung der Glaubwürdigkeit der NATO, die dann nur noch auf dem Papier existieren würde.
  2. Aufteilung Osteuropas in eine deutsche und eine russische Einflußzone.

Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin
Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin

Mögliche Einflusszonern

Die deutsche Einflusszone wäre definiert aus der Kombination Schengen-Gebiet und Eurozone. Im Schengenraum soll die Internet-Infrastruktur und Kommunikation und damit auch der komplette Informationsfluss durch ein von Berlin definiertes „Sch(l)andnet“ kontrolliert werden. Die Finanzinfrastruktur der Eurozone wird letztlich auch von Merkels Netzwerk kontrolliert, und in Zypern konnte man auch sehen, dass sie bereit ist diese Macht zu nutzen. Hilfreich für Merkel wäre ein knapper Wahlsieg der Sozialisten bei den Europawahlen mit einem neuen EU-Kommissionspräsidenten Schulz.

Die russische Sphäre würde die Ukraine und Moldawien, vielleicht auch Ungarn und Serbien umfassen.

Man kann bereits Wirkungen in dieser Richtung beobachten. Dazu gehört sicherlich das laute Nachdenken des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, ob es nicht aus Gründen der Sicherheitspolitik für Polen ratsam wäre, der Eurozone beizutreten.

Das Skript

Wie könnte also ein solches Skript des Duos Merkel-Putin aussehen? Auf der einen Seite wäre ein „low intensity“ Konflikt in der Ukraine, der sich über mehrere Jahre hinzieht, mal eskaliert, sich dann wieder etwas beruhigt. Alles ohne eine direkte militärische Intervention Russlands, aber mit einem unübersehbaren Potenzial Russlands, jederzeit einzugreifen. Die neuen Machthaber in Kiew haben ohne massive Menschenrechtsverletzungen keine Chance, ihre Herrschaft gegen den Willen einer starken Minderheit durchzusetzen. Damit werden sie im Laufe der Zeit auch den letzten Rest Ihres guten Rufes noch ruinieren.

Die NATO kann gelähmt werden, indem z.B. mittels Snowden öffentlich behauptet wird, dass US-Streitkräfte ihre Basen in Deutschland nutzen, um mittels NSA-Techniken Ziele für Drohnen-Angriffe zu finden und auch entsprechende Angriffe von hier aus zu steuern. Damit kann eine Kampagne gegen den exterritorialen Status der US-Basen in Deutschland befeuert werden. Die NATO hätte in diesem Fall keine logistische Basis mehr für jedwede Aktion in Osteuropa. Die Polen, Balten, Rumänen, Bulgaren und Ungarn würden sehr schnell begreifen, dass die NATO die für ihren Schutz notwendigen logistischen Voraussetzungen verloren hat und somit kein glaubwürdiges Schutzversprechen mehr abgeben kann. Sie wären dann gezwungen, sich zwischen Putin und Merkel zu entscheiden. Die Bemerkung von Donald Tusk, Polen könnte aus Sicherheitsgründen den Euro einführen, deutet bereits in diese Richtung.

Nach einiger Zeit, wenn Merkel in den baltischen Staaten, Polen, Tschechien und dem Balkan ihre Ostereier eingesammelt hat und der Ruf von Klitschko & Co. vollends ruiniert ist, könnte die EU ihre Unterstützung für die aktuellen Machthaber in Kiew vollends einstellen. Damit würde die ganze Ukraine wie ein reifer Apfel in Putins Hände fallen.

Wer kann dieses Szenario verhindern?

Obama könnte. Er müsste dazu jedoch entschlossen sein und genügend Willenskraft aufbringen. Obamas Problem ist, dass er die Glaubwürdigkeit einer verbalen Sicherheitsgarantie der USA im syrischen Wüstensand beerdigt hat. Um die Unabhängigkeit Polens, der baltischen Staaten und der Staaten des Balkans zu sichern müsste er dort eine strategische Militärpräsenz aufbauen, die auch nicht innerhalb weniger Tage kampflos wieder abgezogen werden könnte. Das könnte z.B. ein Raketenabwehrsystem sein, geschützt durch einige schwere Panzerbrigaden.

Eine solche Stationierung würde jedoch bedeuten, neue Logistik-Linien nach Osteuropa aufzubauen. Damit würde wahrscheinlich eine US-Flottenpräsenz in der Ostsee und ein Flottenstützpunkt in Dänemark oder Norwegen nötig. Hinzu käme eine Nachschublinie aus dem Mittelmeer, inklusive von Öl- und Gaspipelines, um nicht mehr durch Energielieferungen erpressbar zu sein. Damit wäre als ein zusammenwirken von USA, Dänemark, Norwegen, Großbritannien mit Gibraltar und Zypern, von Griechenland und/oder der Türkei, von Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakien, Tschechien, von Polen und den baltischen Staaten notwendig. Auch die Flottenbasen in Süditalien und Spanien wären zur Sicherung des Nachschubs mit von der Partie.

Das wäre in der Tat eine Revitalisierung der NATO, und das Bündnis würde auch wieder zu seiner ursprünglichen Mission zurückkehren: eine deutsch-russische Hegemonie in Europa zu verhindern. Das wäre möglich. Ist es aber auch wahrscheinlich? Merkel und Putin glauben die Antwort auf diese Frage im syrischen Sand gelesen zu haben.

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Die Krise Europas

Merkel und Sarkozy sollten Papandreou auf den Knien danken. Warum: Die Krise Europas ist so weit gediehen, dass sich Europa ja in Gestalt des ESFS 1000 Milliarden Euro leihen will, Mitte der Woche noch nicht einmal in der Lage war, sich 3 Milliarden Euro zu leihen. Und dank Papandreou hat’s keiner gemerkt. Dennoch:Ist Europa so arm geworden? Nein, aber die Glaubwürdigkeit der europäischen Politiker in der Welt ist so tief gesunken.

Warum war die Antwort der Anleihe-Märkte und der G20 so negativ?

Es gibt dafür mehrere Gründe:

  1. Es gibt noch immer keine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Industriepolitik. So versucht z.B. die Berliner Regierung Strompreise für die deutsche Industrie zu subventionieren, und Elektrizität aus der Sahara durch Spanien und Italien nach Deutschland zu leiten. Das soll geschehen obwohl energie-intensive Industrieproduktion auch in Spanien, Portugal und Griechenland angesiedelt werden könnte, erneuerbare Energien dort weitaus günstiger erzeugt werden können als in Deutschland und die Arbeitslosigkeit immens ist. Als Sahne-Häubchen europäischer Solidarität dienen dann Programme, die versuchen einen Brain Drain aus den Mittelmeer-Ländern in Richtung Deutschland zu initiieren.
  2. Europa als Ganzes hat derzeit immer noch das Geld, um die bis jetzt aufgelaufenen finanziellen Ungleichgewichte selbst auszugleichen. Allein es fehlt der politische Wille. Was sind aber finanzielle Garantien ohne diesen politischen Willen wert?
  3. Der erzwungene Forderungsverzicht privater Gläubiger Griechenlands hat ein Beispiel gesetzt, wie man Credit Default Swaps und andere Garantien aushebeln kann, indem man die Auslöser manipuliert. In den Papieren für die ESFS-Garantien wird nicht klar definiert, unter welchen Bedingungen die Garantien greifen und wer den Garantiefall im Einzelfall ausruft. (Siehe „Approaching the Italian endgame“, FT 3.11.11)

Die Antwort auf die Reise von Klaus Regling nach China und beim Gipfel in Cannes war: Ihr Europäer habt alles, was Ihr braucht um Euch selbst zu helfen. Wenn Ihr das jedoch nicht wollt, wird unser Geld die Krise Europas auch nicht lösen können. Und selbst wenn Ihr tatsächlich von uns Geld bräuchtet, würdet Ihr es allenfalls über den IWF bekommen, damit wir vor Euren Tricksereien sicher sein können.

Die Krise Europas ist eine Strukturkrise

Unabhängig von dem Verhalten des IWF, der G20 und der internationalen Finanzmärkte führt kein Weg zur Lösung der Krise an dieser Erkenntnis vorbei: Obwohl Strukturreformen in vielen einzelnen Staaten der EU notwendig sind, kommt die Lösung dieser Schuldenkrise nicht ohne eine Reform der Strukturen der EU aus. Es geht dabei aber nicht um ein Veto-Recht der Regierung in Berlin auf den Haushalt der Regierung in Rom. Viehlmehr geht es darum, dass Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der Ebene der EU, im Interesse aller Bewohner der EU und legitimiert durch das Europaparlament betrieben wird. Es mag für die Regierungen der Nationalstaaten zwar bitter sein, diese Kompetenzen abgeben zu müssen, insbesondere für die Berliner Regierung. Denn bei einer Aufteilung der strukturpolitischen Kompetenzen zwischen der europäischen Ebene und den Regionen könnten die deutschen Bundespolitiker leer ausgehen. Somit könnte die Lösung der Krise Europas zu einem erheblichen Verlust an Macht für Frau Merkel und ihre Freunde führen. Daher kommen auch die Versuche, die Essenz des Problems mit Hunderten oder auch Tausenden von Milliarden von Euro zu ertränken. Der Schönheitsfehler ist nur, dass diese Milliarden über Steuern wieder eingetrieben werden müssen.

Erneute Rettung für Griechenland

Die zweite Rettung für Griechenland steht jetzt an. 110 weitere Euro-Milliarden sind ein hoher Preis fürs Nichtstun. Daß Griechenland nicht ohne grundlegende Veränderungen an die Kreditmärkte zurückkehren kann, war schon vor gut einem Jahr bei der Debatte über das erste Paket zur Errettung Griechenlands klar. Ich erinnere nur an die entsprechende Aussage von Joseph Ackermann, für die er so stark von den Mächtigen in Berlin gescholten wurde.
Siehe:Ackermann äußert Zweifel an Griechenland-Rettung (bei Handelsblatt.com am 13.05.2010 veröffentlicht)

Aber welche Veränderungen genau sind denn notwendig? Selbstverständlich und klar ist, dass in Griechenland selbst Verkrustungen aufgebrochen werden müssen, was ja auch massiv geschieht. Aber klar ist auch, daß dieses Problem und auch die zugehörige Lösung nicht allein in Griechenland zu finden sind. Und außerhalb Griechenlands kann ich sehr viel weniger Aktivität und Energie bei der Suche nach einer Lösung erkennen.

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Die Offiziellen in Berlin, Frankfurt, Paris etc. geben indirekt zu dass die jeweilige Rettung für Griechenland nicht nur wegen griechischen Besonderheiten notwendig wird. Sie beschwören vielmehr vier Mal pro Woche die Gefahr einer Ansteckung der Staatsschulden-Krise für Irland, Spanien und Portugal. Belgien und Italien werden zwar seltener erwähnt, aber eine Krise der Staatsfinanzierung dort könnte noch gefährlicher werden. Wenn es sich aber um ein rein griechisches Problem von Korruption und Verkrustungen handeln würde, wären dadurch weder Irland noch Spanien bedroht. Auch die deutschen Exporte nach Griechenland sind gering. Trotzdem sind die Regierungen der EU-Staaten bereit, hunderte von Milliarden Euro auf den Tisch zu legen. Wirklich nur wegen eines Problems, das ausschließlich Griechenland betrifft?

Das Problem hat in Wahrheit drei Köpfe:

  1. Dieser Aspekt darf noch offen diskutiert werden: Die EZB muss eine Geldpolitik für alle Eurostaaten machen. In vielen Fällen sind die Zinsen zu niedrig für die Einen und zu hoch für die Anderen. Und in der Praxis hat sich herausgestellt, daß sich die Geldpolitik der Eurozone in erster Linie nach den Bedürfnissen Deutschlands und Frankreichs ausrichtet. Wenn Berlin niedrige Zinsen braucht, wie in den Jahren 2001-2005, sind die Zinsen in der Eurozone niedrig. Es spiel dann auch keine Rolle, ob der Immobilienmarkt in Spanien oder Irland heiß läuft. Es spielt auch keine Rolle, wenn der griechische Staat die niedrigen Zinsen als eine unerwartete Bonanza betrachtet, und nach dem Motto „Get it, while you can take it“ beherzt zugriff. Diese Argumentationslinie wird in Deutschland oft und gerne benutzt, um die Forderung nach einer Wiedereinführung der D-Mark zu legitimieren.
  2. In Berlin ist das Interesse an gemeinsamer europäischer Politik verloren gegangen. Ein Beispiel ist die Entscheidung im Jahre 2008, daß es keine europäische „Rettung“ für das europäische Bankensystem nach der Lehmann-Pleite geben würde, sondern jeder Staat selber sehen sollte, wo er bleibt. Diese Politik wurde von Angela Merkel und Peer Steinbrück (der seinen Nachbarn mit Kavallerie droht und das auch noch spaßig findet) durchgesetzt.
    Ein weiteres Beispiel ist, daß trotz allem Gerede über eine gemeinsame europäische Energiepolitik in Berlin noch nicht einmal Konsultationen im europäischen Rahmen für notwendig gehalten wurden, bevor Merkel die schnelle Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland verkündete. Mir scheint, dass die Berliner Regierung zur traditionellen preußischen Außenpolitik des Lavierens zwischen Russland und dem Westen zurückgekehrt ist. Merkel &Co. agieren jedenfalls nicht mehr als Teil des Westens, der sich in EU und NATO institutionell abbildet. Eine kleine Krise scheint Merkel hin und wieder ganz gelegen zu kommen, um bestehende Strukturen von EU und NATO auszuhöhlen. Dafür versucht sie dann informelle Machtstrukturen aufzubauen, die ihr mehr Raum zum manövrieren und intrigieren lassen.
  3. So wurde zwar viel über eine Rettung für Griechenland geredet, und noch mehr Geld dafür ausgegeben. Leider ist ob all dieser Anstrengung keine Zeit mehr dafür geblieben, eine gemeinsame wirtschaftliche Strategie für die ganze EU zu entwickeln, in der auch alle kleine Staaten am Rande ihren Platz haben. Dabei könnte Griechenland sehr viel zu einer sicheren europäischen Energieversorgung beitragen. So wurde zum Beispiel vor der Küste Israels Erdgas gefunden, was eine Suche in griechischen Seegebieten nahe legt. Auch wäre Griechenland ein interessanter Standort für die Gewinnung nachwachsender Energieträger aus dem Meer, z.B. über die Zucht bestimmter Algen, die zu Treibstoff verarbeitet werden können. Stattdessen wurden in „Kerneuropa“ Projekte in Gang gesetzt, mit denen Sonnenenergie aus der Sahara als Elektrizität nach Deutschland geleitet werden soll. Sie soll unter anderem dafür genutzt werden, in Deutschland Bleche in Auto-Türen zu verformen. Ob es nicht sinnvoller wäre, solche Fabriken in Portugal oder auch in Marokko aufzubauen?
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Bereits explodiert: Das vierte Gesicht des Problems

Es gab noch einen vierten Aspekt bei der Inszenierung einer Rettung für Griechenland. Dieser Teil des Problems hat sich jedoch inzwischen von selbst erledigt. Es sollte unter allen Umständen die Doktrin aufrecht erhalten werden, dass Staatschulden, zumindest in Europa, risikolos seien. Regierungen in Paris, Berlin, Rom, Madrid und anderen Städten fürchteten nämlich, daß Anleger ihre Schulden, Vermögenswerte, Einnahmen und Ausgaben einmal unter die Lupe nehmen könnten. Das geschieht mittlerweile, und es ist das Ende des wunderbaren Zeitalters, in dem die Regierungen großer europäischer Staaten nur mit dem Finger schnippen mussten, um quasi unbegrenzte Finanzmittel zu mobilisieren.
Viele Wähler in Deutschland fragen sich bis heute, wo Merkel und Steinbrück die 750 Milliarden Euro versteckt hatten, die sie im Jahr 2008 innerhalb von wenigen Tagen für den sogenannten „Rettungsschirm für Banken“ mobilisiert haben. Diese Wähler wissen nicht, daß dieses Duo damals nur ein paar Zettel genommen und ein paar Zahlen darauf geschrieben habt. Merkel glaubt bis heute, damals super clever gehandelt zu haben. Aber Schäuble wischt sich ab und zu den Angstschweiß von der Stirn, wenn er daran denkt, daß ihm als Finanzminister eines Tages diese Zettel zur Einlösung der darauf gekritzelten Versprechungen präsentiert werden könnten.
Heute ist die Illusion vom Staat ohne finanzielle Grenzen gründlich geplatzt, und die Menschen wissen, dass im Zweifel auch der allergrößte Staat pleitegehen kann. Daran ändert auch die Frage nichts, ob ein Staat zur Vertuschung neue kreative Worthülsen erfindet oder die Wahrheit einfach Wahrheit sein lässt. Daher steht diese Zettel-Methode bei der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands heute nicht mehr so einfach zur Verfügung.

Schlussfolgerung
Eine Rettung für Griechenland wurde notwendig, weil sich der griechische Staat nicht zu einer funktionierende ökonomischen Strategie durchringen konnte, und auch die EU keine gemeinsame ökonomische Strategie entwickelt hat, die jedem einzelnen Mitgliedsland eine Zukunft in Wohlstand ermöglicht. Deshalb kann Griechenland aller Wahrscheinlichkeit nach seine Schulden nicht komplett zurückzahlen und wäre schon jetzt ohne Gelder von EU und IWF ein gescheiterter Staat. Andererseits liegt die Lösung nicht in einer Entschuldung Griechenlands alleine. Ob man bei einer Entschuldung an einen teilweisen Schuldenerlass oder an eine Übernahme eines Teils der Schulden durch die EU als Institution denkt, spielt keine Rolle. Eine von beiden Möglichkeiten wird unausweichlich sein, wie auch Axel Weber bestätigt. Aber keine von beiden Optionen macht Sinn, bevor es ein funktionierendes Geschäftsmodell für eine neue griechische Wirtschaft im Rahmen der EU gibt. Und ein solches Modell wird es nicht geben, bevor nicht in den EU-Rat ein Geist zurückkehrt, der nach gemeinsamen Lösungen für gemeinsame Probleme sucht. Man könnte daraus folgern, daß eine Entschuldung Griechenlands nicht vor einer Ablösung Merkels sinnvoll sein wird.

Spiel mit dem Feuer

Super-Clever
Mir scheint, daß es einige Damen und Herren auf der Ebene der Staats-und Regierungschefs der EU gab, die sich besonders clever vorkommen. Sie glauben, ein kontrollierter Brand könnte ihnen helfen, die EU zu dominieren.

Die Methode:
Mit einer Diskussion, die impliziert, daß der europäische „Rettungschirm“ nicht über die drei Jahre hinaus verlängert wird, und daß EU-Staaten ihre Schulden nicht vertragsgemäß zurückzahlen müssen, wenn ihnen das Probleme bereitet („Kreditgeber an den Rettungskosten beteiligen“) könnte man eine neue begrenzte Eskalation der europäischen Schuldenkrise erreichen.

Das Ziel:
Man könnte damit QE2 der FED beantworten und ein Steigen des Eurokurses gegenüber dem Dollar in Grenzen halten. Gleichzetig könnte man Irland zwingen, Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne zu erhöhen, ein lang gehegter Traum.

Das Feuer:
Die Iren können „nein“ sagen, denn sie brauchen im Moment kein Geld. Dann müssten Merkel und Sarkozy versuchen, die EZB zu zwingen, den irischen Banken den geldhahn zuzudrehen. Trichet könnte im Zweifelsfall diesem Vorschlag aber auch hinsichtlich West-LB und HRE folgen. Beide haben – im Gegensatz zu den irischen Banken – nicht einmal ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Der Brandbeschleuniger:
FED und Bank of England könnten, direkt oder indirekt, irische Banken gegen den Willen der Euro-Riesen stützen und damit Irland ermöglichen, aus der Euro-Zone auszubrechen.

Der Unterschied
Irland war vor der Finanzkrise wirtschaftlich gesund und hat grundsätzlich eine funktionierende Wirtschaft. Das Problem der irischen Staatsfinanzen stammt aus der Dummheit einer einzigen Nacht, in der die irische Regierung erklärt hat, daß sie die Verbindlichkeiten sämtlicher Banken in Irland unbegrenzt garantieren würde.
Bei anderen Staaten in der Eurozone liegen die Probleme tiefer.

Die Finanzkrise ist tot. Es lebe die Krise der Politik!

Peer Steinbrück schreibt in seinem neuen Buch sinngemäß: „Die Banken mussten sich das Vertrauen, das sie untereinander nicht mehr hatten, beim Staat leihen.“ Es zeigt sich aber immer mehr, daß auch der Staat kein Vertrauen mehr zu verleihen hat. Es gibt nur noch ein paar Abziehbildchen von dem, was einmal Vertrauen war.

Trauer um Vertrauen
Die Demonstranten in Stuttgart schreien: „Lügner, Lügner!“ Und es stimmt, sie werden belogen. Aber sie werden wieder einmal von denen belogen, denen sie glauben. Propagandisten sagen ihnen, daß es schlecht für sie wäre, wenn die riesigen Bahnflächen im Stadtgebiet Stuttgarts als Flächen für Wohnungen, Parks, Freizeitanlagen und Arbeitsplätze genutzt werden könnten. Und die Demonstranten laufen Sturm gegen diese neuen Möglichkeiten, die ihnen angeboten werden.
Wie können, zugegebenermaßen gewiefte, PR-Strategen Menschen-Massen dazu bewegen, einer Landesregierung „Lügner!“ entgegen zu schleudern, wenn sie jedenfalls dieses eine Mal etwas tut, was für jedermann und jede Frau und jedes Kind sichtbar die Lebensqualität der Menschen in der Stadt und ihrer Umgebung dramatisch verbessern kann?

Die Fassade ist zu klein geraten
Der Grund ist: Der Staat hat seinen Kredit verspielt. Die Leute wissen, daß Ihnen über die Finanzkrise nicht die Wahrheit gesagt wurde. Sie verstehen zwar nicht, was passiert ist. Aber sie verstehen, daß es jedenfalls nicht so war, wie ihnen gesagt wird.

  • Es wird über die bösen Banker geschimpft, und ihnen alle Schuld zugewiesen. Aber Tatsache ist, daß der einzige Bankenvorstand, der bisher wegen Bilanzbetrugs verurteilt wurde, Chef einer Bank – der IKB – war, die vor der Krise im Eigentum des Bundes war. Es ist auch eine Tatsache, daß dieser Bilanzbetrug nicht etwa von der Bankenaufsicht entdeckt und beendet wurde. Vielmehr musste der Chef einer privaten Bank die Bankenaufsicht zum Einschreiten zwingen.
  • Personen, die öffentlich bemängelt haben, daß die Hypo-Real Estate Bank, auch nach Ihrer Übernahme durch den Bund, im Vergleich zu anderen Banken erstaunlich wenige Immobilienkredite im Wert an die neuen Marktverhältnisse angepasst hat, wurden des Geheimnisverrats bezichtigt.
  • Staatsanleihen von Ländern, die nach Auskunft ziemlich einfacher Rechenregeln mit einiger Wahrscheinlichkeit ihre Schulden nicht vertragsgemäß zurückzahlen können, können (und müssen) in Bilanzen von Banken und Versicherungen als risikolos bewertet werden.

Schein und Sein sollten eine Schnittmenge haben
Das sind nur drei Beispiele. Es gibt noch mehr. Aber die Essenz ist: Das internationale und das europäische Finanzsystem in seiner jetzigen Form ist nur noch eine Fassade. Hinter verschlossenen Türen wird nach Lösungen gesucht. Den Leuten auf der Straße wird jedoch gesagt, alles sei im grünen Bereich. In Wahrheit ist vieles im Eimer. Die Altersvorsorge der meisten Menschen beruht nur noch auf imaginären Werten. Der Staat verspricht allen möglichen Institutionen unvorstellbare Geld-Summen, nur um die Fassade aufrecht zu erhalten. Und die großen Staaten, die unter dem Schock des Jahres 2008 noch zusammen gearbeitet hatten, spielen jetzt gegeneinander.

Neue Verführungskünstler stehen bereit
Das Missverhältnis zwischen dem, was den Menschen über die eigene Zukunft gesagt wird, und der Beobachtung, wie sich der Eimer immer mehr füllt, schafft Angst. Und diese Angst schafft unglaubliche Chancen für allerlei Verführungskünstler. Zwei aktuelle Beispiele:

  • Die erwähnten Obenbleiber, die den Menschen in Stuttgart von Frischluftschneisen über Bahnanlagen vorschwärmen, und warnen, daß ihre Häuser an Wert verlieren, sobald in der weiteren Umgebung ein Tunnel gegraben wird.
  • Saraziner, die bemerken, daß sie in ihrer Institution nicht mehr Chef werden können und dann
    • in Büchern Banalitäten mit Dummheiten verrühren,
    • auf diese Weise ihre vertraglichen Verpflichtungen abschütteln,
    • dabei viel Geld verdienen sowie ihren Werbewert und politischen Einfluss steigern.

Mit solchen Methoden kann man sich politische Plattformen schaffen, um den jeweiligen persönlichen Machthunger vielleicht doch noch zu stillen.

Diese Saraziner und Obenbleiber können es schaffen, die Macht zu ergreifen und Deutschland sowie Europa zu dominieren. Und niemand sollte glauben, daß sie weniger machtgierig wären als die heute Mächtigen. Sie haben bereits gezeigt, daß sie in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich sind.

Die wirklichen Probleme angehen
Eine offene Diskussion über die Veränderungen der Machtverteilung in der Welt könnte noch etwas Positives bewirken. Es wird mittlerweile offensichtlich, daß die Europäer nicht mehr die Mittel haben, sich einfach alle Ressourcen der Welt, die sie haben möchten, zu nehmen. Das Problem der „sozialen Gerechtigkeit“ in Europa wird schon in wenigen Jahren nicht mehr auf dem Rücken der Menschen in Asien, Afrika und Südamerika lösbar sein.

Die Rolle des Staates
So wird es notwendig, die Rolle des Staates und die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Leben neu abzugrenzen. Ich weiß, daß eine solche Debatte unbequem ist. So konnte leider auch nur ein nicht gewählter Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten darauf hinweisen, daß Transferleistungen für deren Empfänger auf Dauer zur Fessel werden und ihnen sowohl Lebensqualität als auch Selbstwertgefühl in eine wahre Ruine verwandeln können.

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