Die Eurozone nach Zypern

Die Diskussion um die Bedeutung der Zypern-Krise wird noch geführt. Wurde damit festgelegt, dass es in der Eurozone nach Zypern kein Bailout für Banken mehr geben kann? Jens Weidemann fordert jedenfalls, dass es eine Hackordnung der Kreditoren geben sollte, die abgearbeitet werden soll, bevor der Staat belastet wird. Er schließt hier ausdrücklich Bankeinlagen mit ein, und nur bei Sparkonten unter hunderttausend Euro bleibt er etwas unklar, inwieweit diese vor dem Staat belastet werden sollten.

Es gibt viele Neben-Kriegsschauplätze:

  1. Sind Spareinlagen noch sicher?
  2. Werden die Euro-Staaten wenn sie es für nötig halten Liquiditätsreserven von Unternehmen ganz oder teilweise konfiszieren?
  3. Haften nun Kunden einer gesunden Bank für Verluste aus Staatsanleihen von Banken, mit denen sie überhaupt nichts zu tun haben?
  4. Kann ein Rechtsstaat eine Steuer nur für Kunden einer einzigen Firma einführen? Wie wäre es mit einer Sondersteuer für alle Eigentümer eines Volkswagen-Autos, wenn VW wie in den 70er Jahren wieder einmal die Entwicklung verschlafen hat?
  5. Wer haftet für ELA-Kredite wenn die betreffende Bank zahlungsunfähig wird?
  6. Sind die EZB – und vielleicht auch der ESM – bevorrechtigt gegenüber allen anderen Kreditoren einer Bank, auch wenn dies nirgendwo in Verträgen festgelegt wurde?

Alle diese Fragen werden wenn überhaupt letztlich vor Gerichten geklärt werden. Das wird aber Jahre dauern und gehört nicht zu den unmittelbaren Folgen der Krise um Zypern.

Die wichtige Konsequenz der Zypernkrise:
Kapitalverkehrskontrollen werden im Euroraum hoffähig

Der europäische Binnenmarkt und das darin verankerte Prinzip des freien Kapitalverkehrs wurde durch Kapitalverkehrskontrollen außer Kraft gesetzt.
Das ist wichtig, denn ohne ein etabliertes und erprobtes System von Kapitalverkehrskontrollen kann der Austritt eines Landes aus der Eurozone nicht gemanagt werden.

Zypern als Versuchskanienchen

Da lag es nahe, ein kleines Land am Rande der EU, dessen Zusammenbruch im schlimmsten Fall auch wieder aufgefangen werden konnte, als Versuchskaninchen auf die Reise zu schicken. Jetzt konnte man testen, wo trotz Verbotes Vermögen aus Zypern abfließen konnte. Man konnte auch auf Ebene der EZB die Mechanismen etablieren und verfeinern, die zur Kontrolle des Kapitalverkehrs aus einem noch oder auch nicht-mehr Eurolandes durchgesetzt werden kann.

Zypern als Präzendenzfall
Auch wichtig: alle Parteien der europäischen Vertrage haben diesen Vertragsbruch akzeptiert, niemand hat protestiert. Damit gibt es jetzt einen erprobten Mechanismus zur Blockade von Geldüberweisungen aus einem Euroland in ein anderes, der jedenfalls stillschweigend von allen toleriert wurde. Es würde der EU-Kommission schwer fallen zu erklären, warum es mit den europäischen Verträgen vereinbar sein soll, wenn Zypern Kapitalverkehrskontrollen einführt, aber dasselbe Vorgehen durch ein anderes Land ein Vertragsbruch sein sollte.

Ein Zerfall der Eurozone wird zur realen Möglichkeit

Der Austritt eines Landes oder einer Gruppe von Ländern aus der Eurozone ohne Kapitalverkehrskontrollen wäre praktisch nicht zu managen. Nachdem nun ein Instrumentarium zur Verfügung steht, ist ein Auseinanderbrechen der Eurozone von einem unwahrscheinlichen Katastrophenfall zu einer realen Möglichkeit geworden. Gleichzeitig argumentiert Bundesbankpräsident Weidemann gegenüber dem deutschen Verfassungsgericht, dass es nicht Teil der Aufgabe der EZB sein könne, den Zusammenhalt der Eurozone sicherzustellen. Eine Entscheidung über den Zusammenhalt der Eurozone liege allein in der Sphäre der gewählten Politiker. Damit impliziert Weidemann, dass es durchaus auch eine Entscheidung gegen den Zusammenhalt der Eurozone in ihrer jetzigen Form geben könnte.

Dynamik

Damit erhält die Situation eine neue Dynamik. Wenn bisher die Risiken für den Bestand der Eurozone zwischen Banken, Hedge-Fonds, großen Kapitalanlegern und Regierungen verhandelt wurden, so sind jetzt auch Exportaufträge für größere Anlagen und längerfristige Investitionen von der Unsicherheit betroffen. Nur ein Beispiel: Wenn heute ein italienischer Kunde eine Produktionsanlage im Wert von einigen Millionen Euro in Deutschland kaufen möchte, die über mehrere Jahre realisiert und bezahlt werden soll, so entsteht folgendes Problem: Die Verträge werden in Euro abgeschlossen. Wenn nun in der Zwischenzeit Deutschland zusammen mit einigen anderen Ländern den Euro verlassen würde, und dann ihre Kosten-Basis in einer neuen, teureren Währung hätten, würde der Lieferant einen möglicherweise erheblichen Verlust machen. Wenn andererseits Italien,möglicherweise zusammen mit weiteren schwächeren Ländern die Eurozone verlassen würden, hätte der Italienische Kunde ein Problem. Er müsste die Rechnungen wie vereinbart in Euro bezahlen. Eine in diesem Fall unvermeidliche Aufwertung des Euro würde aber bedeuten, dass sich der Rechnungsbetrag umgerechnet in seine neue Heimatwährung weitaus höher als geplant wäre. In der Nach-Zypern-Welt werden beide Partner sicherlich darüber nachdenken, ob sie die Entscheidung über ein solches Project nicht aufschieben wollen, bis die Unsicherheit vorübergezogen ist. Das bedeutet aber, dass es ohne eine Klärung über die zukünftige Form und Struktur der Eurozone sehr schwer werden wird, die gegenwärtige Rezession zu überwinden.
Diese Problematik schlägt sich mittlerweile auch deutlich in den Statistiken des deutschen Außenhandels nieder.

Schlussfolgerung

Der Druck auf Politiker in Europa zu einer Klärung der Euro-Krise wird sich verstärken. Es kann eine Situation auch in Deutschland entstehen, in der die Rezession die Euro-Krise verstärkt und gleichzeitig die Euro-Krise durch die Rezession verschärft wird. Der Druck zu einer Lösung zu kommen, wird immer stärker werden. Gleichzeitig wird der Spielraum der verschiedenen politischen Kräfte, Zugeständnisse zu machen, durch die Rezession immer geringer werden. Das kann zu einer schnellen und sehr starken Zuspitzung führen.

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