Perspektiven der EU und des Euro

Das Jahr der Entscheidung
Im Jahr 2012 wird eine Entscheidung über die Zukunft des Euro und der EU fallen müssen. Dass es sich nicht in erster Linie um eine Schuldenkrise handelt, sondern um eine politische Krise, ergibt sich klar aus folgenden Punkten:
Die technisch möglichen Maßnahmen zur Lösung der Staatsfinanzkrise (Interventionen der EZB und gemeinsame Bonds um einen hinreichend großen und liquiden Markt an AAA-Bonds zu gewährleisten) werden von Deutschland aus scheinbar ideologischen, aber tatsächlich machtpolitischen Gründen blockiert. Der Bundesbankpräsident und Merkel-Intimus Jens Weidemann droht für den Fall einer solchen Lösung den Bruch der Lissabonner Verträge auszurufen, und implizit die EU-Verträge damit für nichtig zu erklären.

Merkels Vision
Im Vorfeld des letzten EU-Gipfels wurde von Merkel die politische Lösung vorgestellt, die sie anstrebt: Sie und der ihr fast gleichgestellte Sarkozy befehlen in der EU, alle anderen gehorchen. Selbst der Gedanke an ergebnisoffene Verhandlungen wird nicht mehr zugelassen. Falls Personen wie der tschechische Präsident Klaus, Ungarns Orban oder ein Präsident Polens auf die Idee kommen sollten, aufmüpfig zu werden, wurde an David Cameron ein Exempel statuiert. Dies wurde dann mit der Erklärung garniert: „Ab heute ist Europa anders.“

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Mögliche Szenarien
Es ist nicht überraschend, dass die Verhandlungen über diese neuen zusätzlichen Verträge längst nicht abgeschlossen sind, und ein Ergebnis auch noch nicht gesichert ist. Es stellt sich aber die Frage, mit welchen Szenarien müssen wir rechnen?

  1. Euro ohne Deutschland
    Die Verhandlungen über einen zusätzlichen Vertrag führen nicht zum Erfolg. Die EZB stützt Italien, Frankreich, Belgien und Spanien. Merkel erklärt den Bruch der Lissabonner Verträge, verlässt die Eurozone und möglicherweise die EU. Der neue Euro unter französischer Führung wertet ab, die verbleibenden Euroländer werden wieder konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt, und haben auch wieder ein risikoloses Finanzinstrument, da neue gemeinsame Eurobonds von der EZB abgesichert werden. Österreich und die Niederlande würden in einem solchen Szenario vor einer schwierigen Entscheidung stehen, da sie sich einer der beiden Seiten anschließen müssten.
    Dieses Szenario würde auch für Merkel große Probleme schaffen, da sie die deutsche Wirtschaftspolitik nicht mehr auf einer für deutsche Verhältnisse unterbewertete Währung aufbauen könnte, und auch nicht mehr alles Geld Europas zu einem real negativen Zinssatz nachgeworfen bekäme.
  2. Euro ohne Griechenland, Irland und vielleicht auch ohne Portugal
    Das zweite Szenario geht davon aus, dass Merkel sich durchsetzt. Merkel&Co dominieren dann die Machtstruktur der Eurozone und setzen eine Wirtschafts- und Finanzpolitik durch, die sich in erster Linie an Interessen der Berliner Regierung orientiert. Das Wohlergehen der Menschen in den Randstaaten der Eurozone wird kleingeschrieben.
    Da die Griechen die Wirkungsweise der deutschen Medizin bereits erfahren durften, werden Sie einem solchen von Deutschland diktierten Korsett nicht zustimmen. Sie werden Merkel nicht erlauben, Griechenland auf eine Brain-Drain-Quelle für Deutschland zu reduzieren und ansonsten eine Finanzpolitik zu installieren, die nur den Zusammenbruch der griechischen Binnenwirtschaft zur Folge hat und nichts tut um die griechische Wirtschaft wieder auf ein stabiles Fundament zu stellen.
    Merkelland ist für Griechenland nicht alternativlos. Griechenland kann sich auch der gerade entstehenden neo-osmanischen Struktur im östlichen Mittelmeer anschließen und damit zum Teil einer aufstrebenden Wirtschaftszone werden, anstatt am vergessenes Ende einer niedergehenden europäischen Wirtschaftsmacht zu vegetieren.
    Irland hat sich bereits geweigert, und wird sich weiter weigern, einer Unternehmensbesteuerung zuzustimmen, die sich nicht an irischen Interessen ausrichtet, sondern in erster Linie Vorgaben aus Berlin und Paris verwirklicht. Ich bezweifle auch, daß Irland einer Finanztransaktionssteuer zustimmen wird, und dass die Iren bereit wären, als Preis für einen Verbleib in der Eurozone die Grenze zu Nordirland weitgehend zu schließen. Die Mitnahme von Bargeld über diese Grenze muss aber verboten werden, wenn Merkel und Sarkozy eine nicht nach Ihren Vorgaben regulierte Londoner City aus dem Markt für Finanzdienstleistungen in der Eurozone hinausdrängen wollen.
    Portugal hat alle Möglichkeiten, seine Schlüsse aus dem Leiden Griechenlands zu ziehen. Und es hätte die Alternative, sich als Brückenkopf Brasiliens und anderer Länder Lateinamerikas in Europa zu etablieren.

Die Entscheidung: Frankreichs Präsidentenwahl
Frankreich kann im Grunde mit jeder der beiden Varianten leben. Es kann entweder Führungsmacht einer Währungsunion der europäischen Mittelmeerländer werden, oder Vetomacht in einer von Deutschland dominierten Eurozone. Die französichen Wähler werden dem neuen oder dem wiedergewählten Präsidenten einen Hinweis geben, ob sie den mediteranen oder den deutschen Weg gehen wollen. Der politische Preis dafür, einen solchen Hinweis zu ignorieren, kann hoch werden.

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