Fluggesellschaften sind abhängig vom Finanzmarkt
Fluggesellschaften haben einen hohen Anteil an Kapitalkosten. Der Verlauf der Finanzkrise hat sicherlich Auswirkungen auf die Kapitalkosten der Branche, sei es in Form von Leasing-Raten oder Zinsen.
Ein anderer Aspekt der Finanzkrise, die Preise für den US-Dollars und das Öl, hat weitere Auswirkungen auf die Airline-Industrie. Ein fallender Ölpreis reduziert die Kosten, und ein fallender Euro stärkt die Position europäischer Fluggesellschaften im Dollar-Raum.
Der wichtigste Aspekt ist aber, daß die Airline-Industrie auf die Finanzwelt angewiesen ist, um sich gegen Schwankungen des Ölpreises und der Wechselkurse von Währungen anzusichern. Dazu wird ein System aus Derivaten (Futures, Optionen und andere Zertifikate) genutzt, dessen Existenz jetzt in Frage steht.
Vorgeschichte
Die internationale Finanzkrise wird in der Diskussion in Deutschland so behandelt, als sei die einzige Ursache die Krise des US-Immobilienmarktes und der damit verbundene Zusammenbruch des Marktes für Hypotheken und Papieren, die ihren Wert aus Forderungen an Hauseigentümer in den USA herleiten.
Die Hypotheken-Krise in USA ist jetzt über ein Jahr alt. Sie hat zwar zu Milliardenverlusten bei Banken und Verischerungen, und auch zu einer massiven Schwächung der Bilanzen in der Finanzindustrie geführt, aber nicht zu einem Zusammenbruch des Systemes.
Zusammenbruch von Lehman Brothers und AIG
Was ist genau passiert? Lehman Brothers ist an jenem 15.September nicht gescheitert, weil nach einer Abschreibung auf Hypotheken-Kredite oder deren Derivate die Eigenkapitalquote zu gering geworden wäre. Das wäre zum Quartalsende geschehen, und eine Lösung eines solchen Problems hätte bis zum Quartalsende Zeit gehabt.
Vielmehr war eine Zahlung auf ein Absicherungesgeschäft fällig geworden, und Lehman hatte weder das Cash, diese Zahlung zu leisten, noch die Fähigkeit, sich dieses Geld bei anderen Banken zu leihen (Dies wegen der geschwächten Bilanz und undurchsichtiger Risikopositionen). Ich vermute, daß es sich um eine Wette gegen den Dollar gehandelt hat. Dies entnehme ich der Information, daß zu diesem Zeitpunkt eine Zahlung in Höhe von ca 350 Mio Euro von der KFW an Lehmanns fällig geworden war, und auch bezahlt wurde, deren Ursprung nach Presseberichten eine Währungsspekulation war.
Aber auch der Rückgang des Ölpreises innerhalb von 6 Wochen um ca 50 Dollar pro Faß könnte der Hintergrund für die fällige Zahlung gewesen sein.
Risiko-Management ohne Glaubwürdigkeit?
Risikoabsicherungen haben nur dann einen Wert, wenn sie glaubwürdig sind. Wenn nun, wie bei Lehman, ein großer Player auf diesem Markt seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, und ein noch größerer Marktteilnehmer, nämlich AIG, dadurch so in Mitleidenschaft gezogen wird, daß er nur noch durch einen massiven staatlichen Eingriff am Leben gehalten werden kann, dann ist das System der Risikoabsicherung nicht mehr funktionsfähig.
Interbankenmarkt funktioniert nicht mehr
Das Handelsblatt berichtet am 01.10.2008:
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Wie heikel die Lage tatsächlich ist, zeigen die täglich von der EZB bekanntgegebenen Zahlen. So parkten die Banken über Nacht bei der EZB 44,4 Mrd. Euro – so viel wie noch niemals zuvor seit der Einführung des Euros vor fast zehn Jahren. Dabei handelte es sich um Geld, das die Banken nicht benötigten, es aber auch nicht einer anderen Bank leihen wollten. In normalen Zeiten belief sich das Volumen hier meist auf einen unteren dreistelligen Millionenbetrag.
Auch die Zinssätze für Übernachtkredite in Dollar sprangen auf Rekordhöhe. Der Zinssatz, den Banken sich untereinander für diese Kredite berechnen (Libor), kletterte in London auf ein Allzeithoch von 6,88 Prozent. Die EZB versuchte gegenzusteuern und schrieb einen Dollar-Tender mit einer Laufzeit von einem Tag über 30 Mrd. Dollar aus. Ergebnis: Er war hoffnungslos überboten und wurde zum Rekord-Zinssatz von elf Prozent zugeteilt. Wegen der extremen Knappheit von Dollar-Liquidität versuchten ausländische Banken, sich Dollar am Devisenmarkt zu besorgen. Der Kurs des Euros sackte deswegen um vier Cent ab.
Quelle:Rettet den Rettungsplan! (bei Handelsblatt.com am 01.10.2008 veröffentlicht)
Dieser Abschnitt enthält drei Informationen:
- Die Banken schätzen selbst Kredite über Nacht an Ihre Partnerbanken als risikoreich ein.
- Liquidität in Euro ist genügend vorhanden
- Liquidität in Dollar ist äußerst knapp
Daß die Banken sich gegenseitig als hohe Risiken einschätzen, hat vermutlich weniger damit zu tun, daß sich die Akteure gegenseitg nicht mehr trauen. Diese Menschen arbeiten zum Teil schon seit Jahrzehnten zusammen, und sie wissen, daß sie aus diesem Strudel nur heil herauskommen können, wenn sie zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig belügen. Vielmehr ist das Problem, daß sie ihre eigene reale Risikoposition nicht mehr kennen, und wissen, daß es ihren Partnern genauso geht. Die Risikopositionen sind mit komplizierten Hedges genau eingestellt worden, mit Verpflichtungen, die Eingegangen wurden, und mit Versprechungen, die entgegengenommen wurden. Wenn nun nicht mehr klar ist, daß der Partner die Versprechungen, die er in Form von Zertifikaten gemacht hat, einhalten kann, ist auch die eigene Fähigkeit, eingegangene Verpflichtungen zu bedienen, in Frage gestellt. Und umgekehrt. Daher der hohe Libor.
Die Tatsache, daß Liquidität in Euro so reichlich vorhanden ist, daß die Banken mehr als 44 Milliarden Euro bei der EZB über Nacht quasi zinslos parken, zeigt zunächst einmal, daß die EZB das Liquiditätsproblem der Banken nicht lösen kann, nicht mit mehr Liquidität, und auch nicht mit niedrigeren Zinsen, denn im Prinzip ist ja Liquidität zum Zinssatz von Null vorhanden.
Aber aus Punkt 2 und 3 schreit die Frage, warum die Banken nicht zu 6% Euros leihen, dafür Dollars kaufen und diese für 11% verleihen. Meine Vermutung ist: Der hohe Bedarf an Dollar entsteht durch absehbare fällige Zahlungen auf Wetten auf einen fallenden Dollar und steigende Ölpreise. Wenn die betroffenen Banken jetzt Dollars kaufen, wird das den Preis des Dollars weiter steigen lassen, und damit auch die fälligen Zahlungen und somit die Menge der benötigten Dollar weiter erhöhen.
Was die EZB tun könnte, wäre dem Markt weitere Dollars – so sie diese hat – zur Verfügung zu stellen, oder sich bei der FED Dollars leihen, um diese dann den Banken im Euroraum zur Verfügung zu stellen. Dies würde aber das Eingeständinis beinhalten, daß dies nicht eine Krise ist, die alleine durch die Gier der Amerikaner verschuldet wurde und deren unschuldige Opfer die Europäer sind. Und dieses Eingeständnis wird der EZB und den hinter ihr stehenden Regierungen schwerfallen.
Zwischenbilanz
Das gesagte in ein paar dürren Worten zusammengefaßt: Wir haben eine Situation mit einem unerwartet steigenden Dollarkurs, unter Erwartungen liegendem niedrigen und vielleicht noch (in Dollar) sinkenden Ölpreis, zusammen mit einem drohenden Kollaps der Risiko-Management-Systeme in den internationalen Finanzmärkten.
Das große Problem für die Airline Industrie ist der Zusammenbruch des Risiko-Managements
Das Risiko-Management ist auch bei den Fluggesellschaften von zentraler Bedeutung. Sie sind weltweit, oder jedenfalls in vielen Regionen tätig, und somit von Schwankungen in Wechelkursen, Rohstoffpreisen, Zinsniveaus und der allgemeinen wirschaftlichen Situation in den Ländern, die sie bedienen, abhängig.
Als kapitalintensive Industrie müssen sie aber langfristige Investitionsentscheidungen treffen. Ein heute gebautes Flugzeug fliegt 30 Jahre, und beinhaltes über diesen Zeitraum eine Wette auf das Zinsniveau, den Treibstoffpreis, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, die Reisefreudigkeit der Urlauber etc.
Diese Risiken werden von den Airlines mit verschiedenen Methoden an andere Marktteilnehmer weitergereicht. Dazu gehören Leasingverträge für Flugzeüge, Futures und Optionen und andere Zertifikate auf Kerosin und Währungen. Auf diese Weise erreichen die Airlines, daß sie sich auf ihr eigentliches Geschäft, nämlich die Beförderung von Passagieren und/oder Fracht mit Flugzeugen konzentrieren können.
Wenn nun ein Partner im Risiko-Management wegbricht, liegt dieses Risiko wieder – und diesmal unerwartet – bei der Airline. Wenn also die Leasinggesellschft, die der Airline das Zinsrisiko für ihre Flugzeuge abgenommen hat, zusammenbrechen würde, stände die Airline ohne die betreffenden Flugzeuge da, oder müßte diese möglicherweise aus der Konkursmasse der Leasingesellchaft kaufen und selbst – zu den aktuellen Bedingungen – finanzieren.
Ähnliche Probleme können entstehen, wenn eine Airline Finanzierungen hat, die an die Bedingung einer Absicherung gegen einen Zahlungsausfall geknüpft ist, und der Partner für diesen Credit Default Swap (CDS) ausfällt.
Auf diese Weise kann auch eine gesunde Airline, die nach allen Regeln der Kunst gehandelt hat, unerwartete Probleme bekommen.
Fallender Ölpreis
Der fallende Ölpreis ist für alle Fluggesellschaften gut, und spült ihnen unerwartete zusätzliche Gewinne in die Kassen. Es wird sich aber auf Dauer ein Druck entwickeln, die hohen Treibstoffzuschläge zu reduzieren. Möglicherweise werden manche Fluggesellschaften die Treibstoffzuschläge senken, aber die Basistarife erhöhen. Damit wird die Preisstruktur auch an die sinkenden variablen Kosten und die steigenden Fixkosten (z.B. Finanzierungskosten) angepaßt.
Steigender Dollar
Wie sich ein steigender Dollar oder ein einbrechender Euro auf einzelne Fluggesellschaften auswirken wird, ist weniger klar. Wenn eine Fluggesellschaft ihre Einnahmen hauptsächlich in Euro hat, was für die meisten regional in Europa agierenden Fluggesellschaften wie Ryanair und Air Berlin, aber auch für die Tourismusflieger wie Condor und Tuifly zutreffen dürfte, ist entscheidend, wieviele ihrer Zahlungsverpflichtungen in Euro, und wieviele in Dollar zu leisten sind.
Das hat wieder damit zu tun, in welcher Währung die Finanzierungsverträge für die Flugzeuge abgeschlossen sind, aber auch in welcher Währung für Ersatzteile und Wartung bezahlt werden muß. Wenn eine Gesellschaft ihre Hausaufgaben gemacht hat, hat sie die Währung der Zahlungsverpflichtungen aus der Finanzierung an die Währung ihrer Einnahmen angepaßt. Unter dem Vorbehalt, daß ihre Finanzierungspartner sicher stehen, hat sie dann keine Schwierigkeiten.
Auswirkungen auf die Nachfrage nach Flugleistungen
Die Auswirkungen der gegenwärtigen Krise auf die Nachfrage nach Flugleistungen könnte für verschiedene Marktsegmente durchaus verschieden sein:
- Geschäftsreisen:
Der fallende Euro-Kurs könnte die Nachfrage nach Geschäftsreisen stimulieren, da der Export von Investitionsgütern aus der Euro-Zone preisgünstiger wird. Und es gibt durchaus Exportmärkte, die in Dollar bezahlen und über die nötige Liquidität für Investitionen verfügen. Beispiele sind Länder des Mittleren Ostens, aber auch China und Indien. In diesen Ländern bleibt der Bedarf nach energiesparenden Investitionen hoch, selbst wenn der Ölpreis bis auf 80 Dollar pro Faß fallen sollte. - Urlaubsreisen:
Wenn sich die Panik der Finanzmärkte auf den Arbeitsmarkt und die Stimmung der Konsumenten niederschlägt, werden viele sicherlich beim Urlaub sparen. Dies heißt aber nicht zwingend, daß sie auf eine Urlaubsreise verzichten. Aus einem 5-Sterne-Hotel könnte ein 4-Sterne-Hotel werden, und aus einer zweiwöchigen Urlaubsreise könnte eine Reisedauer von 10 Tagen werden. In beiden Fällen bliebe die Zahl der gebuchten Flüge gleich. Allerdings würde ein schwacher Euro vermutlich den Anteil der Fernreisen in den Dollar-Raum reduzieren und Reiseziele im Euro-Raum attraktiver machen. Im Gegenzug wäre aber auch ein Wachstum bei Urlaubsreisen aus dem asiatischen Raum nach Europa denkbar, wenn dieses nicht durch die Visapolitik der Schengen-Staaten blockiert wird. - Wochenend-Trips:
Wochenend-Trips, die oft Shopping-Trips sind, werden in einem durch Rezessionsangst geprägten Klima sicherlich abnehmen. Man kann leicht darauf verzichten, und am Wochenende statt in Mallorca auch zuhause joggen oder schwimmen gehen, statt in Paris oder London auch in Frankfurt oder Paderborn einkaufen.
Zusammenfassung
Die Fluggesellschften sind insbesondere beim Risiko-Management und bei der Finanzierung der Flugzeuge auf die Finanz-Industrie angewiesen. Die Auswirkungen eines Zusammenbruchs der Riskio-Management-Systeme der Finanzindustrie hätte Folgen, die für die einzelnen Airlines durchaus unterschiedlich wären, und die im einzelnen nicht kalkulierbar sind.
Ein mit der Finanzkrise einhergehender Konjunktur-Einbruch wird sich besonders auf das Segment der Freizeitflieger auswirken, und hier wiederum besonders auf Anbieter von sehr preisgünstigen Flügen, die viele Kunden bisher eher aus einer Laune heraus und nicht unbedingt wegen eines wirklichen Bedarfes gebucht haben.
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